Sie lesen Auszüge aus dem Buch “Sagen der Stadt Bautzen”.
Herausgeber: Sorbisches Folklorezentrum beim Haus für sorbische Volkskultur
Text: Erich Schneider – Krawc
Die Sage vom Frosch in der Wasserkunst
Diese besagt, dass der Mönch mit seinem Kopf haftete, für den Fall, dass die Wasserkunst kein Wasser fördere. Im Gegenzug erhielt er als Entlohnung ein Jahr frei Essen und Trinken sowie 220 ungarische Gulden. Nach reichlich einjähriger Bautätigkeit sollte am Abend Allerheiligen (1. November) 1496 das Wasser vor Barthel Schneiderreißers Haus auf dem Fleischmarkt fließen. Aber es floss kein Wasser. Aus lauter Verzweiflung flüchtete der Mönch aus der Stadt um kam erschöpft in der Nähe von Ebendörfel, auf dem Drohmberg (volkstümlich auch Traumberg), zur Ruhe. Eingeschlafen träumte ihm, ein Tier verstopfe die Röhren der Wasserkunst. Er schlich sich zurück, überprüfte noch einmal alle Röhren und fand einen Frosch in der Leitung sitzen.
Als er diesen entfernt hatte, floss das begehrte Wasser endlich bis auf den Fleischmarkt.
Der Karrasekturm
In der Südwestecke der Ortenburg steht der Burgwasserturm. Er gehört zu den ältesten Teilen der Anlage und wird auch als Fronfeste bezeichnet, da er von 1740 an längere Zeit in seinem Seitenflügel als Gefängnis diente. Die erhaltenen Gitter vor den Fenstern weisen noch darauf hin. Sein volkstümlicher Name lautet Karrasekturm und erinnert an den Räuber Johannes Karrasek, der Ende des 18. Jahrhunderts in der Oberlausitz sein Unwesen trieb, aber in des Volkes Gunst stand und bis 1800 hier eingekerkert war.
Wer war dieser Karrasek? Er wurde 1765 in Smichow bei Prag als Sohn eines Tischlers geboren, lernte zuerst seines Vaters Handwerk, ging aber dann zu einem Metzger in die Lehre und arbeitete sechs Jahre lang in mährischen Orten als Fleischhauer. Dann beschuldigte man ihn eines Diebstahls, den er nicht begangen haben wollte. Nach vier Jahren Strafarbeit trat er in Melnik in den Dienst eines Paschers, wurde wegen Verdachts der Fahnenflucht nach Theresienstadt gebracht, desertierte dort und entwich nach Sachsen. Hier war er Tischler, Hausierer und geriet bald in den Kreis einer Räuberbande. Von nun an führte er ein unstetes Leben, beging, wie im später nachgewiesen wurde, in dreieinhalb Jahren 24 Einbrüche als Anführer der Bande und wurde schließlich mit zehn seiner Kumpane verhaftet. Am 8. August 1800 wurde er nach Butzen gebracht und zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde später in lebenslängliche Haft im Dresdener Festungsbau verwandelt. 1803 wurde er dorthin gebracht und starb 1809.
Worin bestand die Volkstümlichkeit des Karrasek? Die Opfer der Raubzüge waren vor allem Handelsleute, Geldwechsler, Gutsbesitzer und Müller. Die werktätigen Menschen hatten nichts zu befürchten, im Gegenteil, Karrasek erwies sich oft als Wohltäter, gab den Armen von seiner Beute oder geleitete auch einmal Frauen oder Handwerker, die sich vor ihm fürchteten, sicher durch den Wald und gab sich am Schluss erst zu erkennen. Bis in unser Jahrhundert wurden im Oberland noch zahlreiche Legenden von ihm erzählt, und in Flugschriften wurden von dem Leben des „berüchtigten Räubers Karrasek“ berichtet.
Die Anteilnahme des Volkes widerspiegelt auch folgende Erzählung: In Bautzen hat Karrasek in einem ganz finsteren Loch gelegen. Nach einiger Zeit hat man ihn dann in eine andere Zelle gelegt, wo wenigstens ein kleines Fenster war. Den großen Stein mit dem eisernen Ringe kann man noch sehen. Da haben sie den armen Mann dran gefesselt. Allemal zu Mittag hat der Aufseher das Fensterl aufgemacht, dass ein bissel Luft rein konnte. Drei Minuten lang hat er so gelüftet. Das haben die Leute gewusst, und da sind jeden Mittag die Kinder gekommen und haben gerufen: „Karrasek, bist du noch da?“ Und er hat jedes Mal geantwortet: „Karrasek ist noch nicht weg.“ Diese Redensart hat sich bei den Seidauer Jungen bis zum ersten Weltkrieg erhalten.
In diesem Schlossturm wurde 1809 auch ein anderer Räuber, der „böhmische Wenzel“, gefangen gehalten, der aber an einem aus seinen Kleidern geflochtenen Seil flüchten konnte.
Romeo und Julia an der Ortenburg
Die Ortenburg, das Wahrzeichen der alten Stadt, hat durch Kriege und Brände ein gar wechselvolles Schicksal erlitten. Ihr heutiges Bild erhielt sie nach dem Dreißigjährigen Krieg, weil sie in den schlimmen Jahren 1620 und 1639 erneut ausgebrannt war. Der viereckige gotische Torturm, von dem das Stanbild des Ungarnkönigs Matthias Corvinus nach der Schlossstraße zu schaut, wurde in den Jahren 1483 – 1486 erbaut, als die Lausitz von Ungarn regiert wurde. Er überstand die Brände. Betritt man die Burg durch die kleine Pforte im Torturm, erblickt man links hoch oben an der Burgmauer neben dem Turm unter einem Fenster zwei steinerne Köpfe eingemauert. Es sind wahrscheinlich die Reste zweier Bildsäulen, die unter dem Brandschutt gefunden worden waren. Da man über die Herkunft nichts Genaueres mehr aussagen konnte, fand die Sage eine Erklärung ihrer Art:
Es war ein Mönch aus dem Bautzener Franziskanerkloster an der Mönchskirche. Der war in Liebe zu einer Bautzener Ratsherrentochter entbrannt. Da eine solche Zuneigung aber den strengen Gesetzen des Mittelalters widersprach, wurde das arme Mädchen von zu Hause verbannt und in Prag in ein Nonnenkloster gesteckt. Liebe aber macht erfinderisch, und es gelang ihr, den Klostermauern zu entfliehen und nach Bautzen zurückzukehren, wo sie in den Armen des Geliebten eine bessere Bleibe fand. Doch die Entdeckung blieb nicht aus, und beide entgingen den Häschern nicht. Grausam war die Strafe, welche die geistliche Justiz über die Liebenden verhängte. Sie wurden an jener Stelle, die die steinernen Köpfe anzeigen, lebendig eingemauert.
Das solche Strafen tatsächlich vollzogen wurden, darauf deutet ein Skelettfund, der im Stadtmuseum Bautzen aufbewahrt wird. Man fand bei Mauerarbeiten an einer der ehemaligen Klostermauern eine Nische, in der die Gebeine eines jungen Mannes lagen. Der Kopf saß noch auf einem eisernen Ring, der in die Mauer eingelassen war.
Am Nikolaiturm
Der Nikolaiturm, der einst den Zugang vom Spreetal zur Stadt schützte, zeigt im Spitzbogen des stadtseitigen Tores einen in Stein gehauenen bärtigen Männerkopf. Er stellt der Sage nach eine in der geschichtlichen Betrachtung stark umstrittene Persönlichkeit dar – den Stadtschreiber Peter von Preischwitz. Das war ein angesehener Mann, der im Jahre 1420 an einer Delegation zu Kaiser Siegismund in Prag teilgenommen hatte, wobei die Sechsstädte ihre Hilfe gegen die Hussiten zugesagt hatten. War er Revolutionär oder Verräter?
In den schlimmen Tagen um den 12. Oktober 1429 wehrten sich die Bautzener Bürger unter Einsatz aller Kräfte gegen den Ansturm der Hussiten. Da plante Preischwitz, so berichtet die Sage, einen schlimmen Verrat gegen seine Vaterstadt. Er übergoss die Pulvervorräte mit Wasser und umwickelte die Pfeile, die er gegen die Angreifer abschoss, mit Zetteln, auf denen ihnen Stellen der geringsten Verteidigung bezeichnet wurden. Auch soll er versucht haben, ihnen die Stadttore zu öffnen und legte in der Stadt Feuer an. Als er schließlich bei seinem Tun ertappt und gefangen wurde, machte man ihm, nachdem er bei peinlichen Befragungen alles gestanden hatte, den Prozess. Er wurde am 3. Februar 1430 grausam hingerichtet. Man schleifte ihn auf einer Kuhhaut zur Richtstätte, riss ihm das Herz heraus, vierteilte den Körper und hing an jedes der vier Haupttore einen Teil zur Warnung für alle, die der Stadt schaden wollten. Neuere Forschungen bezweifeln, dass Preischwitz wegen Stadtverrats hingerichtet worden sei.
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